»Magst Du ’ne Tomate und ein Stück Brot?«, wiederholte die Blonde.
Und wie er mochte! Aber war es richtig, hier mit einer Fremden ins Gespräch zu kommen? Ein ums andere Mal hatte er in den vergangenen Monaten erlebt, dass Unbekannten nicht unbedingt zu trauen war. Sicher, einige hatten ihm weitergeholfen, als ihm Orientierung oder Unterstützung fehlten, und er hatte sich später gefragt, warum sie das getan hatten. Für einen Fremden. Ganz ohne Gegenleistung. Übrigens war auch den scheinbar Bekannten nicht zu trauen. Zwei, drei Mal hatten ihn Landsleute und Bekannte von Bekannten hereingelegt. Er hatte Zeit und Geld verloren. Und nun saß er hungrig auf dem Erzsébet-Platz in Budapest, und auf die einfache Frage, ob er Brot und eine Tomate wolle, schoss ihm all dieses Für und Wider durch den Kopf.
Drei Menschen, zwei Züge, eine Nacht: Im Liegewagen von Budapest nach Berlin fürchtet ein afghanischer Flüchtling seine Entdeckung. Eine Museumspädagogin auf der Heimreise versucht im selben Waggon, den Grenzschutz zu überlisten. Und ein Beamter des Bundesinnenministeriums, hin- und hergerissen zwischen Politik und Privatem, kehrt im Schlafwagen von Verhandlungen in Paris zurück. Ängste und Erinnerungen steigen in den Reisenden hoch: Während ihre Nachtzüge durch Europa rollen, treffen ihre Lebenswege unerwartet aufeinander.
Roland Siegloff beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Asyl, Migration und Grenzen. In Nächster Halt: Südkreuz, seinem ersten Roman, gestaltet er das Thema in neuer Form. Der Journalist und Autor, 1963 in Emden geboren, lebt in Berlin und Brüssel.
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Roland Siegloff
Nächster Halt: Südkreuz
Roman
1. Auflage 2016. Taschenbuch.
11 x 19,5 cm.
120 Seiten
9,95 € [D] - 10,10 € [A] inkl. MwSt. - 11,00 CHF
ISBN 978-3-943622-13-3