Fritz Kuhr: Postkartenset mit Fotografien des Bauhauskünstlers Fritz Kuhr

Das Kartenset besteht aus 5 Postkarten mit verschiedenen Schwarz-Weiß-Fotografien des Bauhauskünstlers Fritz Kuhr aus den 1950er Jahren sowie einer Fotomontage aus den 1920er Jahren.

Fritz Kuhr, seit 1923 Bauhausschüler und später auch Bauhauslehrer, begann 1930/31 eine verheißungsvolle Laufbahn als freier Maler, die durch die NS-Herrschaft abrupt unterbrochen wurde. Auch seine Werke wurden 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. Nach 1945 knüpfte Kuhr an sein Schaffen der 1920er und 1930er Jahre wieder an und entwickelte seine abstrakte und bisweilen surreale Formensprache weiter. 1948 wurde er zum Professor an die Hochschule für Bildende Künste in Berlin berufen, wo er bis 1967 lehrte. Am Bauhaus begann Fritz Kuhr mit dem Fotografieren: als Schüler von Moholy-Nagy, dem Vertreter des „Neuen Sehens“ und einer experimentell-abstrakten Fotografie, und als Teilnehmer des Fotokurses von Peterhans, der eine handwerklich ausgefeilte und gut geplante Sachfotografie unterrichtete. Aus dieser Zeit sind neben persönlichen und dokumentarischen nur einige wenige künstlerische Fotoarbeiten überliefert. Diese künstlerischen Fotografien, Fotogramme/Cyanotypien und Luminogramme befinden sich vor allem in namhaften Museen bzw. Sammlungen wie dem J. Paul Getty Museum in Los Angeles, dem Museum Folkwang in Essen und dem Bauhaus-Archiv Berlin. Eine Auswahl an Arbeiten aus dieser Zeit kann in der Galerie in gedruckter Form, eine Fotomontage aus dem Jahr 1927 hingegen im Original betrachtet werden. In den 1950er Jahren hat Fritz Kuhr offenbar wieder vermehrt fotografiert. Im Nachlass finden sich besonders viele Kleinbildnegative aus dieser Zeit, aus der auch die in der Ausstellung präsentierten Schwarz-Weiß-Fotografien stammen, deren Estate Prints von dem Berliner Fotografen Gerhard Haug hergestellt wurden, der als Absolvent der HdK-Berlin in der Tradition des Standortes Grunewaldstraße steht. Sie wurden vornehmlich in Berlin, aber auch auf dem Land und an der See aufgenommen und zeichnen sich in erster Linie durch ihre markante Lichtregie, den bewussten Einsatz von Licht- und Schattenwirkung aus und folgen in ihrer formalen Ästhetik oftmals derjenigen des Bauhauses. So findet sich häufig die für das „Neue Sehen“ typische Steil-Schräg-Perspektive, wie etwa bei den Fotografien, auf denen der Blick von schräg oben auf Fahrradfahrer oder Passanten fällt, die in dieser Perspektive ganz besonders eigenwillige Schatten werfen. Auch die Doppelbelichtung des Funkturms, der übrigens auch ein häufigeres Motiv bei Moholy-Nagy ist, oder der stark betonte Hell-Dunkel-Kontrast, der zum Beispiel das Foto mit dem das Gerüst erklimmenden Bauarbeiter auszeichnet, verweisen auf die Ästhetik des „Neuen Sehens“. Alle gezeigten Schwarz-Weiß-Fotografien sind weder gut gemachte Schnappschüsse noch neusachliche Dokumentaraufnahmen. Vielmehr sind in ihnen immer der individuelle künstlerische Wille zur Gestaltung, zur Form, und eine Eigensinnigkeit des Sehens zu erkennen, auch wenn sich die Themen des Abgelichteten aus dem Alltäglich-Beobachtbaren rekrutieren. Der Blick aus dem Dachfenster des HdK-Gebäudes in der Grunewaldstraße auf Ruinen unter einem heiter bewölkten Himmel ist dabei inhaltlich und formal-ästhetisch eine ganz bewusst in dieser Anordnung fotografierte Szenerie. Ebenso gilt dies etwa für das Foto, das Passanten zeigt, die im diffusen Licht des gläsernen Bahnhofsbaus eine S-Bahntreppe hinaufsteigen, aber zum Beispiel auch für die Fotografie, die einen sich in einem Schaufenster befindlichen Spiegel spiegelnden Betrachter einer anderen Schaufensterauslage abbildet. Sie irritiert den Rezipienten in seinen Sehgewohnheiten maßgeblich und lässt ihn nachforschend einhalten. Einige Fotografien wiederum erinnern an die Arbeiten anderer Fotografen aus den 1950er Jahren, etwa an Aufnahmen von Fritz Kühn, und - im Falle der fotografierten Strukturen von Sand, Schnee oder Wasser – allgemein an die „subjektive Fotografie“ der 1950er Jahre und die Arbeiten der Gruppe „fotoform“, die sich ihrerseits allerdings auch in Teilen auf die Fotografie des Bauhauses bezog. Eine Besonderheit stellt die Fotomontage zweier Kuhrscher Fotografien von einer Brücke in der Nähe des Funkturms dar, mit der der Berliner Fotograf Gerhard Haug die Forderung von Fritz Kuhr, im Zweifelsfall auch mit seinen Werken künstlerisch produktiv umzugehen, in die Tat umgesetzt hat.

Neben den Schwarz-Weiß-Fotografien werden in verschiedenen Techniken gemalte und gezeichnete Arbeiten aus den Jahren 1946 bis 1965 präsentiert. Verbindende Elemente dieser Arbeiten zu den Kuhrschen Fotografien sind in erster Linie eine starke Plastizität durch markante und eigenwillige Licht- bzw. Helligkeitseffekte in der meist farbigen Malerei – die Beleuchtung kommt oftmals markant aus dem Bild’inneren’-, die Präsenz von Strukturen als gestalterischem Moment und inhaltliche Parallelen. Allerdings finden sich im Werk Fritz Kuhrs keine Gemälde, die - wie Fritz Winters abstrakte Licht-Bilder aus den 1930er Jahren - eine malerische Entsprechung zu Fotogrammen und abstrakten (Kristall-)Fotografien der 1910er und 1920er Jahre darstellen.

In der Ausstellung sind etwa Fotografien des sich im ‚aufgewühlten’ Teltowkanal spiegelnden Ullsteinhauses zu sehen, die aus dem mit expressionistischer Fassade versehenen ersten betongegossenen Hochhaus Berlins durch die stark verzerrende Spiegelung ein Gebäude werden lassen, das stark an einen von Gaudí entworfenen Bau erinnert. Sie haben eine inhaltliche Parallele zum Gemälde „(Poelzigbau), 1946“, das mit großer Wahrscheinlichkeit eine Aufführung im „Großen Schauspielhaus“, dem 1918/19 von Hans Poelzig mit einer expressionistischen, an eine Tropfsteinhöhle erinnernden Innenarchitektur für Max Reinhardt umgebauten Zirkus Schumann, zeigt. Die mit den Strukturen des Stahlgerüstes spielende Doppelbelichtung des Berliner Funkturms hat ein ähnliches Thema wie das Gemälde „Ich sehe nur Eisen und Stahl“ von 1951, das seinerseits in Zusammenhang mit der in Düsseldorf stattfindenden Ausstellung „Eisen und Stahl“ stehen mag und vielleicht sogar als leicht ironischer Kommentar verstanden werden kann. Nicht zuletzt sei auf die Fotografien hingewiesen, die sich dem Thema ‚Kuh’ widmen und die ihr eindrucksvolles Pendant in den in der Kuhrschen Malerei häufig auftauchenden, eigenwilligen und ausdrucksstarken Tierdarstellungen finden.

Dorothea Böhland